Stefanie
Stefanie Flickinger hat ihren Bruder und ihren Vater verloren. Hier erzählt sie über ihre Erfahrungen.
2008 bekam ich einen Anruf, mein Bruder (39) war ins Krankenhaus eingeliefert worden mit Verdacht auf Gallensteine. Schnell stellte sich heraus das er statt der Gallensteine einen Tumor Stadium t4 im Darm hatte, so groß wie ein Mini Fussball. Bei der ersten Op konnten sie alles entfernen und wir dachten alles wird gut. Schnell stellte sich aber heraus, dass der Krebs gestreut hat und dass mein Bruder nicht überleben würde. Alles was die Ärzte tun, wäre also nur zur Lebensverlängerung. Da stand ich dann und stand der Tatsache gegenüber, dass mein großer Bruder, mein Vorbild, sterben würde. Ich war verzweifelt und wusste erst mal nicht was ich tun sollte. Aber ich entschied für mich wenn ich schon nur noch so wenig Zeit mit ihm haben werde, dann würde ich sie nutzen. Ich begleitete ihn auf seinem Weg, der 3.5 Jahre dauerte. Am Anfang ist es schwer weil man nicht weiß, wie soll man sich verhalten. Nach einiger Zeit gewöhnt man sich dran und lernt mit der Situation umzugehen. Ich sagte ihm immer wieder, was er mir bedeutete, rückte ihm den Kopf zurecht wenn er sich daneben benahm usw. Ich sprach für ihn, wenn er es nicht konnte und versuchte ihm seine Sorgen zu nehmen und auch seine Frau zu unterstützen. Irgendwann sprach ich mit ihm über seinen Tod, weil keiner es machte und keiner sich traute. Wir entschieden dann zusammen, dass er im Krankenhaus sterben sollte, weil man dort Medikamente hat um die Schmerzen zu lindern. Wir entschieden auch das ich dabei sein sollte, nicht so sehr um ihn zu begleiten, sondern um seine Frau zu unterstützen und aufzufangen die ihn begleitete. Seine Frau und ich waren bei ihm als er einschlief. Mein Bruder ging friedlich was man auch sah. Danach war es erst mal unwirklich und es dauerte ein paar Tage, bis ich es realisiert habe. Viel Hilfe war nicht zu erwarten weil das Thema Tod oft tabu ist. Ich habe viel über meinen Bruder gesprochen, um die Gefühle der Trauer los zu werden. Für mich war das genau das richtige. Manchmal waren die Leute genervt und konnten nicht verstehen wieso mich das so lange beschäftigt. Aber das war mir egal. Mir der Zeit hab ich festgestellt, dass je mehr Zeit vergeht, sich auch die Erinnerungen verändern. Am Anfang wenn ich an ihn dachte, tat es weh und man erinnerte sich nur an das Traurige.
Heute denke ich an die schönen Dinge und hab immer ein Lächeln im Gesicht. wenn ich an ihn denke. Immer wieder sagte ich danach dass ich niemals wieder so nah dabei sein will, niemals wieder jemanden begleiten kann auf so einem Weg.
Das hat das Leben nicht interessiert. denn letztes Jahr im Mai hab ich meinen Vater der auch unheilbar an Darmkrebs erkrankt war, aus dem Krankenhaus geholt zu uns ins Dorf ins Pflegeheim. Er sollte dort nur zur Kurzzeitpflege hin, bis wir sein Zuhause so eingerichtet hätten mit Pflegebett etc. Ca 1 Woche danach hatte er einen Darmdurchbbruch, der leider so spät erkannt wurde, dass viel Stuhl in den Körper laufen konnte. Also direkt OP. Ich fuhr heim und wartete... nachts rief die Ärztin an und sagte, dass er, wenn er sich überhaupt noch mal erholt, es nicht für lange sein würde. Ich war fix und fertig. Er hatte dann einen Keim und musste isoliert liegen. Ich war jeden Tag im Krankenhaus und kämpfte für ihn und es gelang mir schließlich, dass sie ihn auf die Palliativstation verlegten (dort ist auch mein Bruder verstorben). Als ich mittags ins Krankenhaus kam, hatten sie ihn schon verlegt. Ich bin bald umgefallen denn sie hatten ihn in das Zimmer gelegt in dem mein Bruder starb. Es hat mich Überwindung gekostet rein zu gehen. Im Laufe der Zeit entschied ich, dass bei meinem Vater alle Medikamente und künstliche Ernährung eingestellt werden sollte und nur noch die Schmerzen behandelt werden sollten, weil ich sah wie er litt. Ich bat den Arzt, ihn würdevoll sterben zu lassen, und der Arzt stimmte mir zu. Nach ein paar Wochen mussten wir ihn dann aber ins Hospiz verlegen, dort war er dann noch 2 Wochen . Eines Morgens kam der Anruf um 7:40 uhr, ich solle kommen, ihm ging's nicht gut. Ich sagte, ich komm sofort, das haben sie ihm auch mitgeteilt. Um 8:09 ihr stand ich vor seinem Zimmer und ging rein ich ging zu ihm, sagte ihm ich bin da und alles wäre jetzt gut
Er machte sich noch einmal bemerkbar und schlief dann ein. Um 8:15 starb er. Es war das größte Geschenk, dass er mir gemacht hat, er hatte keine Kraft mehr, aber er hat gewartet bis ich da war. Das ist jetzt ein halbes Jahr her aber ich komme diesmal nicht so gut damit zurecht, weil mein Vater so gelitten hat und auch im Tod keinen Frieden fand, er sah gequält aus. Ich versuche die Bilder aus dem Kopf zu bekommen und an schöne Dinge zu denken. Manchmal rede ich auch mit ihm und natürlich auch mit meinem Mann, der mich super unterstützt.